(Oskar Sala, Gespräch vom 1. September 1989)
Sie sagten in unserem Gespräch, als es auf das Dritte Reich zuging, da wurde das alles ein bisschen kritischer …
Ja, da wurde alles ein wenig kritischer, aber es wurde auch nicht so kritisch, weil wir ja mit dieser berühmten Vorführung bei Goebbels ((Hierbei handelte es ich um eine Präsentation des Trautoniums in der Privatvilla von Joseph Goebbels, die Friedrich Trautwein vermittelt hatte. Der Propagandaminister wollte sich von der »Ungefährlichkeit« der elektrischen Musik selbst überzeugen.)) eigentlich aus den Schwierigkeiten mit einem kleinen Donnerschlag rausgeschlagen worden sind. Die Meckerei von Graener ((Paul Graener, 1872-1944, übernahm 1933 die Führung der Fachschaft Komposition der Reichsmusikkammer, ab 1934 war er deren Vizepräsident.)) und den anderen Musikleuten, war mit einem Schlag ruhig; die konnten nichts gegen uns unternehmen. Wenn der Minister sagte, »macht mal weiter«, war das erledigt. Und da kam dann der Rundfunk.
Ich meine, es hat mich sehr gewundert. Es war niemand da, der uns gesagt hätte, also nun hört mal, was ist denn das, was soll denn das. Und gegen Trautwein konnten sie natürlich erst recht nichts unternehmen, ein deutscher Ingenieur, war keine Angriffsfläche; wir hatten ja auch nichts angestellt. Und gegen Hindemith entwickelte die Sache ja auch bloß so, weil eben doch ein paar Leute hartnäckig geblieben sind. Das waren natürlich äußerst bittere Zeiten, ich habe immer gesagt, wenn ich ins Rundfunkhaus ging – ich stand ja dann im Funkhaus ((Das Funkhaus in der Masurenallee.)) mit meinem Instrument – konnte machen was ich wollte: Ich habe das Instrument weiterentwickelt, die Subharmonischen eingebaut, die Pedalkonstruktionen eingebaut …
Ich war natürlich Tag und Nacht da, am Tag allerdings waren die Säle meistens besetzt, da habe ich im Büro nachgefragt, welcher Saal denn frei ist diese Woche, und wenn etwas frei war, dann wurde das Instrument umgeschoben und ich konnte manchmal ab 8 Uhr früh, manchmal ab 10 Uhr rein und es war oft früh um 3 oder um 4 Uhr bis ich nach Hause ging. Ich habe die Nacht dann durchgeübt und auch konstruiert; es war an sich eine tolle Zeit. Ich habe es einmal mit einem Glasperlenspiel verglichen: Wissen Sie, da draußen, da ballte sich alles und würgte sich alles auf diese Katastrophe zu, man hat das natürlich schon gemerkt, hier in Berlin immer, es gab ja kaum einen Tag, wo nicht zwischen Kommunisten und Nazis mal ein Mord passiert ist, und da war man dann in diesem riesigen Masurenallee-Haus, hatte seinen Saal oder irgend etwas, wo man arbeiten konnte; es war so etwas merkwürdiges, man geht da rein und plötzlich ist die Welt ist weg. Ich konnte machen was ich wollte, hatte meine verrücktesten Ideen verwirklicht, und keiner kam da und störte mich; es gab auch keine Nachtwachen, niemand kam in den Saal rein. Also das war eine ganz merkwürdige Situation damals, und wenn man rauskam, da kamen wieder diese furchtbaren Dinge. Es waren interessante Jahre, ich kann es nicht anders sagen. Das Instrument hat sich da so richtig zum Konzertinstrument entwickelt.
Und das ging dann nehme ich an bis 1939 soweit gut.
Ja, das ging so bis 1939 gut, bis Genzmer kam, mit seinen beiden Trautonium-Konzerten, und ich mit Konzerten herumgereist bin, da musste der Rundfunk dann ein bisschen zurückstecken, aber bis dahin geht es sehr gut.
Trotzdem, es waren schreckliche Zeiten.
Ich war auch einmal ganz kurz eingezogen, auf einmal war ich vier Wochen weg und musste in die Kaserne, aber da hat mich dann die Auswärtsstelle für Musik im Wesentlichen rausgehauen. Es hieß, wir haben musikalisch noch viel vor, nicht zuletzt mit den Philharmonikern… Kurz, es hat nicht lange gedauert, nach der Ausbildung haben sie mich gleich wieder rausgefischt, sonst wäre ich bereits in Holland mit einmarschiert. Ende 1944 bin ich aber nochmals endgültig eingezogen wurde, beim totalen Krieg, nach Ostpreußen. Und da wäre ich beinahe nicht herausgekommen, es war so schlimm, und es war ein lächerlicher Zufall, dass ich der einzige von meiner Truppe gewesen bin, der durchgekommen ist. Kein Lebender mehr, es hat sich niemand wieder bei mir gemeldet nach dem Krieg, und das wäre leicht gewesen, denn durch den Rundfunk war ich doch überall zu hören, aber da war nichts; das war nur ein unwahrscheinlicher Glücksfall, sonst wäre ich auch da vorne geblieben.